20. September 2013

Über die Einbindung des de jure Auftraggebers in der Organisationsmediation

De jure Auftraggeber als Finanzier und Erlaubnisgeber - diese zwei „Standardfunktionen“ entsprechen immer noch dem Bild, das sich viele Beteiligte an einer innerbetrieblichen Mediation machen. Wir halten das für zu eng. Zumindest in komplexen Fällen ist eine deutlich intensivere Einbindung des Auftraggebers in den Mediationsprozess eine Erfolgsvoraussetzung unserer Arbeit.


Das Standardmodell …
Zu den Selbstverständlichkeiten der Organisationsmediation gehört die Unterscheidung zwischen de jure und de facto Auftraggebern, die zusammen mit den Mediatoren das sogenannte  Auftragsdreieck bilden. Das Herz vieler Mediatoren scheint dabei eindeutig auf Seiten der de facto Auftraggeber zu schlagen. Die Konfliktparteien sind als Medianden ihre „eigentlichen“ Kunden, die zentralen Adressaten und Nutznießer (und damit Sinngeber) ihrer Arbeit.



Die Rolle der de jure Auftraggeber – in der Regel eine oder mehrere Instanzen, die in der Hierarchie mindestens „eine Ebene drüber“ stehen und für den betroffenen Organisationsteil die Verantwortung tragen – wird dagegen deutlich schlanker gehalten. Aus ihrer Gesamtverantwortung für das Unternehmen bzw. die betroffene Organisationseinheit begründet sich ihr übergeordnetes Interesse, den Konflikt als Störfaktor abzustellen. Dass der bzw. die Auftraggeber deshalb bei der Zielformulierung – Wozu ist die Mediation da? Welche Rolle hat sie in Bezug auf die Ist- und Soll-Vorstellungen des Unternehmens?  – ein Wörtchen mitzureden haben, ist insoweit für alle Beteiligten unstrittig. Damit aber wäre ungefähr schon die Rolle des Auftraggebers beschrieben: Als Budget- und Gesamtverantwortlicher bestellt er die Mediatoren, prüft sie auf ihre fachliche Eignung und auf ein ausgewogenes Preis/Leistungsverhältnis – und hält sich danach möglichst aus allem anderen heraus. Das scheint auch ganz im Interesse der Konfliktparteien. Die Vertraulichkeitsvereinbarung schützt die Medianden vor dem kritischen Blick von außen, weshalb sich auch die Rückmeldung an die Vorgesetzten auf das Allernötigste beschränken soll. Zum anderen trifft das aber auch das Bild vieler Auftraggeber. Wenn möglich, soll die Konfliktbearbeitung keine weiteren Ressourcen der Führungskraft mehr binden.
… und die Notwendigkeit seiner Erweiterung
Wir machen zunehmend die Erfahrung, dass das nicht reicht. Je komplexer die Fälle, desto bedeutender und vielschichtiger wird für uns die Rolle der de jure Auftraggeber – vor, während und nach unserem mediatorischen „Kerngeschäft“.  Unsere Aufgabe ist es, diese Notwendigkeit allen Beteiligten deutlich zu machen.
Eine adäquate – und das heißt für uns: deutlich engere, vielschichtige – Einbindung der de jure Auftraggeber ist oft der entscheidende Faktor für das Gelingen einer Mediation. „Günstige Rahmenbedingungen“ sind ein diffiziles Gebilde innerhalb der funktionalen wie mikropolitischen und Beziehungsarchitektur einer Organisation. De jure Auftraggeber sind zwar nicht die einzigen, die für gute Rahmenbedingungen sorgen können, aber sie haben durch ihre formale Macht einen großen Einfluss darauf. Ihre Rolle verändert sich im Lauf der Mediation. Je nach dem, in welcher Funktion der Auftraggeber im Prozess „gebraucht“ wird – als Erlauber, Sponsor, Motivator, Kommunikator, und nicht zuletzt auch als Teilnehmer an (Teil)Prozessen der Mediation – treten auch wir ihm in den unterschiedlichsten Rollen gegenüber: als Auftragnehmer, Konfliktcoach, Ghostwriter und Strategieberater – und  müssen möglicherweise unterschiedliche Kontrakte schließen.
Bernd Fechler
20.09.2013

Fortsetzung folgt. Eine ungekürzte Version dieses Textes finden Sie in
Spektrum der Mediation, Ausgabe 47/2012 einer Zeitschrift, die wir Ihnen empfehlen.


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