20. Oktober 2013

Empowerment: Persönliches Konfliktcoaching für den Auftraggeber

von Bernd Fechler
Um für die in den vorherigen Beiträgen beschriebene intensive Zusammenarbeit eine solide Grundlage zu geben, müssen wir unsere Auftraggeber nicht nur in ihrer offiziellen Rolle als Repräsentanten des Unternehmens adressieren, sondern uns auch für ihre persönliche Situation interessieren: Wie weit fühlen sie sich vom Konflikt betroffen und in ihn involviert?  
Ein heikler Punkt ist die Reputationsfrage: Was bedeutet es für das Umfeld, dass eine Mediation stattfinden soll?


Als Mediatoren sind wir immer auch Bestandteil eines strategischen Spiels verschiedener Interessengruppen in der Organisation. Wir können unsere Auftraggeber danach fragen, welche Interessen und Befürchtungen die Akteure hinsichtlich der Mediation hegen, dürfen aber nicht erwarten, darauf stets klare und vollständige Antworten zu bekommen. In einem undurchsichtig morastigen Konflikt haben wir zwar auch das Bestreben, aber keineswegs eine Garantie, dass der Rahmen für unsere Mediation völlig makellos und rein dastehen wird.
So etablierte sich in einem Fall ziemlich schnell eine besondere Beratungsbeziehung zu Ressortleiter A, aus der wir zwar kein Geheimnis machten (selbstverständlich darf und soll jeder wissen, wann wir mit wem sprechen), in dem sich der Ressortleiter jedoch auch vieles persönlich von der Seele redete. Hätten wir ihn hier bremsen sollen und auf einen „externen Coach“ verweisen, damit unsere Mediatorenrolle der „lehrbuchmäßigen“ Rollendefinition entspricht? Mit der gelebten Wirklichkeit der Organisation und unseren Eingriffsmöglichkeiten lässt sich das nicht zur Deckung bringen. Der Ertrag aus diesen Gesprächen war jedenfalls, dass sie uns einen (selbstverständlich durch die subjektive Brille des Ressortleiters A gebrochenen) Einblick in die politischen Machtverhältnisse eröffnete, aus dem wir entscheidende Rückschlüsse auf die Notwendigkeit und die Möglichkeiten einer stärkeren Einbindung des Gesamtvorstands in die Auftraggeberschaft der Mediation zogen.

Mediation meets Politik: Mediative Beratung des Gesamtvorstands

Auch innerhalb des Vorstands haperte es mit der Dialogkultur. Hinter einer betont locker-jovialen Fassadenkommunikation dräute ein Haifischbecken. Daneben aber auch ehrlich artikulierte Ratlosigkeit, wie man mit diesem  systemrelevanten Konflikt, in den man schon so viel fruchtloses Nachdenken investiert hatte, weiter umgehen sollte. Wie viel Kredit und Zeit für unser im Grunde kulturfremdes Treiben konnten wir im Vorstand erwirken? Ein Wandeln auf einem schmalen Grat zwischen deutlichen Signalen unsererseits („Wir brauchen Ihre Hilfe“) und behutsamer Klärungs- und Vermittlungshilfe zwischen Ressortleiter A und dem CEO, ohne bei diesem Versuch selbst aus der Kurve zu fliegen (denn für solche Vermittlung hatten wir kein explizites Mandat) – so etwa sah die Herausforderung für uns aus, um das zu erreichen, was wir für unsere Arbeit unbedingt brauchten: eine breite, allseitige Mandatierung. Ein offen artikulierter Interessengegensatz zwischen Auftraggebern, wie er uns sonst zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat begegnet, ist demgegenüber fast schon eine leichte Übung.
Den Lohn unserer Bemühungen ernteten wir einige Wochen später, als die Ressortleiter A und B in einer entscheidenden Mediationsrunde Seite an Seite auftraten, um im Namen des gesamten Vorstandes Klarheiten zu schaffen über eine Reihe personalpolitischer Fragen, die in der Zwischenzeit zu wuchernden Verschwörungstheorien geführt und Teile der Belegschaft geradezu paralysiert hatten
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Ein vorläufiges Fazit

Es gibt etliche Verbotsschilder, die die Welt der Mediation einfacher zu machen scheinen, die wir jedoch im Interesse einer konstruktiven Verständigung in Konflikten immer mal wieder um- bzw. überfahren müssen – ohne dadurch zu Geisterfahrer der Mediation zu werden.
Letztlich müssen sich Organisationsmediatoren damit auseinandersetzen, ob sie (im jeweiligen Einzelfall), Unternehmen beraten oder nur einzelne Funktionsträger im Unternehmen. Da wäre ein Gespräch mit Coaches interessant, die fürs Führungskräfte-Einzelcoaching auch Aufträge der PE annehmen. Wir erleben die Auseinandersetzung mit den Auftraggebern auch für uns selbst und für die Orientierung unserer Bemühungen als eine Öffnung. Manchmal weicht die Fokussierung auf den Konflikt (das, was hier geschieht, ist ein Konflikt, und es ist unsere Aufgabe, ihn beizulegen) einer neuen Fokussierung. Beim geschilderten Fall war es die Einsicht, dass die Konstellationen zwischen den Beteiligten ganz gewaltige Risiken für das Unternehmen bargen, und dass diese Risiken das Potential hatten, eine große Krise hervorzurufen. Insofern wurde es unsere Funktion als Berater, Risiken zu benennen und Wege zu ihrer Eindämmung zu entwickeln, damit keine Krise entsteht.


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