30. Mai 2014

Mediation in der Arbeitswelt von morgen - Teil 3. Die Zukunftsanforderungen für Mediation

von Wilfried Kerntke


Die Veränderung der Arbeitswelt wird neue Konflikte bringen. Das ist nicht nur bedrohlich, sondern birgt zugleich auch die Chance, dass manche unguten Entwicklungen gemildert, manche dysfunktionalen Verhältnisse durch neue Entscheidungen in Ordnung gebracht werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Methodik der Konfliktbehandlung durch Mediation erweitert und den Zukunftsverhältnissen angepasst wird.
Unter den Bedingungen des beschleunigten sozialen Wandels und des Aufbrechens der bisherigen Anerkennungsverhältnisse (davon war im ersten Teil dieser Serie die Rede), werden sich Konflikte mehren, die aus der Spannung von zunehmend kurzfristigen Entscheidungen und langfristigem Einschneiden von deren Konsequenzen entstehen.
 
Die Praxis der Konfliktbehandlung in der Zukunft muss sich orientieren an den veränderten Grundbedingungen des Arbeitslebens. Die Beschleunigung des Sozialen Wandels, und die davon bedingten Ängste und Hoffungen sind besprechbar und sollten als condition humaine der Medianden ihren Platz im Mediationsgespräch finden.  Außerdem muss das Prozedere der Mediation den folgenden Anforderungen begegnen:
  • Die Selbstreflexion des Unternehmens über die Widersprüche zwischen den vertretenen Werten und der gelebten Praxis – also über seine spezifischen Themen der Entfremdung – anregen.
  • Die in der Mediation ans Licht getretenen strukturellen Konfliktverschärfer den Entscheidern des Unternehmens weitergeben.
  • Das Mediationsgespräch als beschleunigungsfreien Raum anlegen – und zugleich die Verfahrensschritte so aufbauen, dass sie dem häufig kurz getakteten Entscheidungsdruck Rechnung tragen.

Die heute von meinen inmedio Kollegen und mir geübte Praxis kommt dem in Manchem bereits nahe. Zugleich ist klar, dass es für die Zukunft noch weitere fachliche Entwicklung brauchen wird.
  • Wir beraten unsere Auftraggeber hinsichtlich des großen Rahmens, den die Konflikte in ihrem Unternehmen haben. Dabei erörtern wir mit ihnen die vom Unternehmen vertretenen Werte und inwieweit sie durch den Konflikt in Frage gestellt werden oder vielleicht auch wieder ins Leben geholt werden können.
  • Eine wichtige Schrittfolge unserer Mediationsprozesse ist ein Feedback der Medianden an ihre Vorgesetzten-Ebene über strukturelle Gründe für den Konflikt. Diese Feedbackschleife der Organisationsmediation – 2003 habe ich sie erstmals fachöffentlich vorgestellt – ist mittlerweile längst state of the art unseres Faches. Sie ist die zentrale Figur für das organisationale Lernen aus dem Konflikt.
  • Durch den systematischen und frühen Einbezug der wichtigsten Stakeholder eines Konflikts geben wir dem Mediationsverfahren einen kräftigen Schwung. Er verkürzt den Zeitaufwand – während zugleich die für Mediation typische Entschleunigung weiterhin uneingeschränkt wirkt.
  • Was wir noch nicht ausreichend durchgeformt und gestaltet haben: Die Einrichtung beschleunigungsfreier Diskursräume. Sie sind aber essentiell für die Selbstreflexion des Unternehmens und damit für langfristig tragfähige Entscheidungen.

Die vielleicht wichtigsten Impulse für die Weiterentwicklung der Mediation entlang den Zukunfts-Anforderungen werden aus den benachbarten Beratungsdisziplinen kommen. Plattformen für Austausch und gemeinsame Entwicklungsarbeit von Coaching, Organisationsentwicklung und Mediation, wie sie die Gesellschaft für Systemdesign bietet, tragen dem Rechnung. (www.gesellschaft-fuer-systemdesign.org)


Im 4. und letzten Beitrag dieser Serie, am 10.6.,  geht es darum, welche Anforderungen an Entscheider und Führungskräfte im Unternehmen entstehen.

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