von Wilfried Kerntke
Bei jeder organisationsinternen Mediation fragen wir den
Auftraggeber – in der Regel den Vorgesetzten der Konfliktparteien –
„Angenommen, Ihre beiden Mitarbeiter stoßen im Lauf der Mediation darauf, dass
die Konfliktentstehung durch bestimmte Strukturen hier im Unternehmen, die
nicht in ihrer eigenen Gestaltungsmacht lagen, begünstigt wurde - würde Sie das
interessieren? Möchten Sie das erfahren?
Die Antwort ist in Unternehmen durchweg ein deutliches „Ja“. Führungskräfte sehen sich
selbstverständlich zuständig für die strukturellen Bedingungen, denen ihre
MitarbeiterInnen unterworfen sind. Es geht um Bedingungen, deren Gestaltung
außerhalb des Aktionsradius der Konfliktparteien liegt. Wenn die Parteien ihrer
Leitung ein gemeinsames Feedback darüber geben – doch nicht bei jeder Mediation
gibt es Anlass dafür – dann ist über den Einbezug der Stakeholder hinaus ein weiterer
Schritt dazu getan, dass die Organisation beginnt, über sich selbst
nachzudenken, im Licht des Konfliktes, und möglicherweise Veränderungen in Gang
zu bringen.
Mediation soll generell ermutigen, mehr Verantwortung für das eigene Handeln und seine künftige Gestaltung zu übernehmen. Gelegentlich sind wir in Gefahr, damit den Konfliktparteien zu viel aufzubürden. Dieser Verdacht wird hinter vorgehaltener Hand dann auch dem potentiellen Auftraggeber angehängt: „Der will ja die Mediation nur deshalb in Auftrag geben, damit er sich um seine eigene Verantwortung drücken kann…und nun lädt er sie seinen Mitarbeitern auf!“ Ein solcher Verdacht – ganz gleich von wem geäußert – schwächt die Arbeitsgrundlage des Mediators, für alle Seiten unzumutbar. Die Feedbackfrage der Organisationsmediation hingegen unterstützt organisationales Lernen. Eine wichtige Voraussetzung für Lernbereitschaft wird dabei geschaffen: Dass in Bezug auf den Konflikt jeder nur das verantworten muss, was er auch selbst gestalten konnte. Die Lasten werden an den Stellen aufgeladen, wo Lösungen möglich sind. Wenn diese Struktur deutlich wird, steigt die Bereitschaft, im anerkannt eigenen Bereich auch schwierige Gestaltungsschritte vorzunehmen. Aufgrund dieser Erfahrung gehen wir im Gespräch mit dem Auftraggeber zunehmend prägnant mit der Feedbackfrage um.
Generell ist die Feedbackschleife leichthändig und mit einer gewissen Zurückhaltung zu stellen – wir möchten eine einzelne Mediation nicht mit dem Ringen um ein Ja des Auftraggebers belasten. Ein Feedback an die Leitung gibt es auch nur dann, wenn die Parteien Anlass dafür sehen, und wenn die Leitung dazu eingeladen hatte. Dabei entscheiden die Beteiligten – nicht die Mediatoren – wie „tief“ es geht. Das anschließende Feedback-Gespräch der Konfliktparteien mit ihrem gemeinsamen Vorgesetzten wird durch den Mediator moderiert. Die Moderation kann sicher stellen, dass sowohl die Konfliktparteien als auch ihr Vorgesetzter gut und sicher gehalten werden, und zwar sowohl in Bezug auf die Wahrnehmung der Parteien in ihrem Konflikterleben, als auch auf den Status des Vorgesetzten – es bleibt ihm unbenommen, was er auf das Feedback hin unternehmen wird.
Lesen Sie den vollständigen Text in ZOE, Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management, 3/2009
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